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01.09.2024, Italiener verwenden Kokablätter seit mindestens dem 17. Jahrhundert

Es ist eine der großen Fragen, ob die Genuss- und Drogenpflanzen wie Tabak, Cannabis und Coca erst in der Frühen Neuzeit mit den großen europäischen Entdeckungen in der westlichen Welt in Gebrauch kamen oder schon zu Zeiten der Zivilisationen des Altertums genutzt wurden. Forensische Studien von Balabanova, Parsche und mir können diese Drogenpflanzen auch in ägyptischen Mumien belegen.

Weltberühmt wurde Dr. Balabanova und Parsche 1994 mit ihrer ersten Veröffentlichung über Nikotin und Cocain in ägyptischen Mumien. Der erneute frühere Nachweis in Milano (2024) stellt diese alte Frage erneut. Warum tun wir uns mit diesem Umstand so schwer, dass schon die Altvorderen solche neuweltlichen Substanzen konsumierten?

Cocaine als Hauptalkaloid kommt eigentlich nur in zwei Arten der Gattung Erythroxylum vor. Diese sind an den Hängen des Altiplano in Bolivien und Peru beheimatet. Von dort breiteten sie sich als Handelsprodukte nachweislich bis Mittelamerika und in die Karibik aus. Vielleicht erreichten einige Waren mit Fernhändlern aus dem Basken- oder Berberland sogar die Alte Welt?

Auf allen ABORA-Expeditionen habe ich Versuche zur Langzeitkeimfähigkeit ausgewählter Kulturpflanzen gemacht. Darunter auch Tabak. Alle Daten dieser Driftexperimente zeigen, dass die Diasporen aller Kulturpflanzen kaum länger als 100-160 Tage auf dem Atlantik keimfähig blieben. Das ist jedoch viel zu kurz, angesichts der geschätzten Dirftdauer von 300-400 Tagen über den Atlantik.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass man die Kokapflanze außerhalb des Altiplanos kultivierte. Unsere Forschungen dokumentieren, dass die Pflanzen Cocain nur in Höhen bis 1.800 m Höhe produzieren. Darunter sink die Konzentration gegen Null. Wer hat diesen vermeintlichen und sehr lukrativen Cocainhandel im Altertum kontrolliert. Die Ägypter mit Sicherheit nicht! Und Vögel, die die Früchte in ihrer amerikanischen Urheimat verbreiten, überquerten nachweislich auch nicht den Atlantik im Altertum. Also, welche Völker hatten hier ihre Hände im Spiel?

Indigene Gemeinschaften in den westlichen Regionen Südamerikas verwenden Kokablätter seit Tausenden von Jahren sowohl für medizinische als auch für Freizeitzwecke. Die Pflanze wurde jedoch erst in ganz Europa populär, als westliche Chemiker im 19. Jahrhundert Kokainhydrochlorid entwickelten. Dank neuer forensischer Analysen in Italien wussten jedoch zumindest einige Menschen bis zu 200 Jahre früher von den Wirkungen von Koka (und erkannten sie). Mumifizierte Gehirne zeigen, dass Kokain viel früher nach Europa kam, als wir dachten. Die Beweise werden in einer Studie detailliert beschrieben, die im Journal of Archeological Science von medizinischen und biomedizinischen Spezialisten der Universität Mailand und der Stiftung IRCCS Ca’ Granda veröffentlicht wurde.

Diese Entdeckung wirft ein erhebliches Licht auf meine Studien mit Dr. Svetlana Balabanova zwischen 2005 bis 2012. Zu dieser Zeit hatte ich im Rahmen meiner Doktorarbeit die Existenz von mehr als 108 Kokainnachweisen in ägyptischen Mumien von Balabanova (1997) untersucht. Die große Frage war, ob diese neuweltlichen Alkaloide ausschließlich aus der südamerikanischen Kokapflanze oder aus heute unbekannten kokahaltigen Pflanzen aus Afrika oder Asien stammten. Dieses Argument wird von Ägyptologen immer wieder vorgebracht, weil man in der Wissenschaft einen direkten Austausch im Altertum immer noch ausschließt.

Meine Studien in Zusammenarbeit mit dem IPK Gatersleben und der University of Nottingham ergaben jedoch, dass alle heute altweltlichen Kokaarten in Afrika (4), Mardagaska (150!) und Indien (2) keinerlei Kokain oder ähnliche Tropanalalkaloide enthalten.

Dies macht sie zu Reliktendemiten hohen Alters, wahrscheinlich aus dem Tertiär, und hat somit nichts mit den Befunden in altägyptischen Mumien zu tun. Die von Balabanova und Parsche (1994 & 1997) identifizierten Proben beweisen also, dass sie höchstwahrscheinlich das Ergebnis kommerzieller Produkte aus der Neuen Welt sind. Dasselbe gilt für die 3.000 Nachweise von Nikotin und Cotenin aus der amerikanischen Tabakpflanze, die in ägyptischen Mumien gefunden wurden.

So unwahrscheinlich das für viele Historiker klingen mag: Die Alten müssen wirtschaftliche Kontakte mit den landwirtschaftlichen Kulturen der Neuen Welt gepflegt haben. Wie und welche Völker an diesem Fernhandel beteiligt waren, ist Gegenstand neuer Forschungen, die mich derzeit nach Marokko und Kuba führen!

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