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ABORA III - Detailinfos

ABORA III – Auf der Nordroute über den Atlantik

Die Fahrt von Afrika entlang des Äquatorialstroms (Südroute) nach Amerika bereitet für einfache Seefahrzeuge keine großen Schwierigkeiten. Durch den Kanarenstrom und permanente Passatwinde werden alle schwimmenden Dinge wie von selbst über den Atlantik in die Neue Welt getrieben. Dazu wären nicht einmal Segel oder eine Mannschaft nötig. Neueste Funde von Feuersteinklingen europäischer Machart an der Ostküste Nordamerikas befürworten einen transatlantischen Kontakt noch während der vorletzten Eiszeit! Die Frage ist jedoch: Wie kamen die Seefahrer vor 21.000 Jahren zurück nach Europa?


Doch damit nicht genug: Die Funde von Tabak und Kokain in ägyptischen Mumien legen nahe, dass es viel früher als heute angenommen Handelsbeziehungen zwischen beiden Kontinenten gab. Die Herausforderung liegt nun darin, Beweise zu sammeln, dass die Hin- und Rückreise über die Weltmeere bereits mit den Techniken der Steinzeit gemeistert wurde.


Die Atlantikpassage von Amerika in die Alte Welt führt durch den Nordatlantik entlang des Golfstroms. Diese sogenannte Nordroute wird nicht zuverlässig durch gleichmäßige Winde unterstützt. Je nach Großwetterlage können überraschend Ost- und Starkwinde aufkommen. Die größte Herausforderung stellt jedoch der Golfstrom dar. Er mäandert in riesigen Bögen ohne gleichmäßige Fließrichtung durch den Nordatlantik. Zum anderen entstehen an seinen Rändern riesige Wasserwirbel (sogenannte Eddies) gegen die Schiff und Mannschaft häufig viele Tage aufkreuzen müssen, sonst werden sie durch die Elemente wieder in Richtung Ausgangspunkt zurückgedrückt. Heutige Schifffahrtexperten sprechen den steinzeitlichen Schilfbooten genau diese Fähigkeit ab, über das Golfstromsystem in Richtung Europa zurück zu segeln. Deshalb schließen sie regelmäßige transatlantische Handelsbeziehungen im Altertum ebenso aus, wie die Funde von voreiszeitlichen Feuersteinwerkzeugen in Altamerika.

ABORA III – Fertigstellung und Erprobung in New York

Der Rumpf des Schilfbootes wurde mit Hilfe der Aymara-Familie Limachi am Titikakasee in Bolivien gebaut und im Frühjahr 2007 nach Amerika transportiert. Er erreichte leider mit etlichen Schäden den endgültigen Bauort im Liberty Harbor - New Jersey am Hudson River. In diesem Yachtclub, der gegenüber der Skyline von Manhattan liegt, wurde durch die Mitglieder des Vereins für Experimentelle Archäologie das Schilfboot aufgetakelt. Zwei Kabinen, ein Mast, zwei Steuerruder und 14 Seitenschwerter gehörten zur Ausstattung. Dabei wurde sich nach den Vorgaben auf vorägyptischen Felsbildern gerichtet.


Der Stapellauf fand am 8. Juni 2007 in Liberty Harbor statt. Anschließend wurden mehrere Segelversuche auf dem Hudson River durchgeführt, um die altertümliche Takelage zu erproben und die Crew auf die rauen Bedingungen auf dem Atlantik vorzubereiten. Bei diesen schwierigen Arbeiten unterstützte sie das amerikanische Unternehmen Aqua-Survey.


Am 11. Juli 2007 startete die ABORA III ihre abenteuerliche Expedition am Circle Lines Terminal Westmanhattan in New York. Das öffentliche Interesse war riesig, denn zum ersten Mal in der Neuzeit versuchte ein internationales Team, den für unpassierbar eingeschätzten Nordatlantik mit einem prähistorischen Rahsegler zu überqueren.

ABORA III – Die internationale Crew

An Bord befand sich ein Team aus drei Nationen: Deutschland, Norwegen und der USA. Der elfköpfigen Crew gehörten auch zwei Frauen an, die auf dem stürmischen Atlantik „ihren Mann“ standen. Auf dem obenstehenden Foto sind alle Mitsegler aufgelistet (v.l.n.r.)

unten: Joe Valmana (USA), Thomas Wittka, Mike Polzien

Mitte: Ingo Isensee, Andrea Müller, Dr. Dominique Görlitz, Sabrina Wittka, Mark Hobert

Oben: Markus Uhlig, Tormod Granheim (Norwegen), Peter Schmolke

ABORA III - Schiffsumbau mitten im Atlantik

Die Überfahrt 2007 gestaltete sich zu einer Sturmfahrt über den Nordatlantik. Das Azorenhoch, das eigentlich im Monat August mit moderaten Winden aus SW bis Nord hätte wehen müssen hatte sich im August 2007 vollständig aufgelöst. Mehrere Stürme mit bis zu 51 Knoten Windgeschwindigkeit und meterhohen Wellen setzten der ABORA III zwar stark zu, konnten aber ihre Fahrt nicht aufhalten. Die Crew setzte immer weiter tapfer ihre Experimentalfahrt nach Osten fort und konnte mit kleineren Reparaturen das Floß in Stand halten.


In der vierten Augustwoche ereilte aber ein Sturmtief die ABORA III, das sich über fast vier Tage lang über den Köpfen der Crew austobte. Zwar konnte die ABORA III auf Südkurs dem Sturmzentrum ausweichen, jedoch baute das stationäre Tief eine gewaltige See auf, die in der Nacht vom zweiten zum dritten Sturmtag das Heck direkt hinter der großen Steuerbrücke komplett abriss. Die Ursachen für dieses Desaster sind sicherlich vielfältig: Überlagerung am Titikakasee, die Transportschäden auf dem Weg nach New York und das ungewöhnlich schlechte Sommerwetter im Jahr 2007. Die Crew stand vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Die Abbergung durch ein Rettungsschiff oder den Elementen trotzen und das Schiff auch ohne Heck wieder unter Segel bringen?


Die Mannschaft der ABORA III entschied sich für die Fortsetzung ihrer Experimentalreise und schaffte das Unmögliche! Sofort nach dem Ende des Sturms startete die Mannschaft die Reparaturarbeiten. Die Verkürzung des Rumpfes durch den Heckabbruch führte zu einer starken Luvgierigkeit (Neigung des Schiffes, in den Wind zu drehen). Um diesen Mangel auszugleichen, zog der Expeditionsleiter altägyptische Tempeldarstellungen und Schiffsbilder von griechischen Vasen heran, um das Schilfboot wieder segelklar zu bekommen. Der ABORA III Crew gelang es, aus ihrem beschädigten Floß wieder ein richtiges Segelboot zu zimmern. Die Segelergebnisse nach der Reparatur übertrafen alle Erwartungen. Es konnte wieder volles Segel gesetzt und zumindest wieder quer zum Wind gesegelt werden. Mit besserem Wetter stieg die Hoffnung doch noch wenigstens die Azoren zu erreichen.


Nur zwei Tage nach der erfolgreichen Instandsetzung und dem Umbau der sturmgeplagten ABORA III überraschte die Crew ein weiteres starkes Tiefdruckgebiet. Der Umstand, dass alle neuen Segelvorrichtungen nur Provisorien waren, die bis 4 Windstärken standhalten sollten, machte alles Weitere zum absoluten Neuland. Durch die bestmögliche Vorbereitung hielten alle Einrichtungen sogar den Druck der Elemente des nächsten Tiefs mit Windstärke 5 aus. Doch als der Wind von mittleren 19 kn bis auf 26 kn anstieg, baute sich innerhalb von zwei Stunden eine hohe und kurze Welle auf. Die neue, nach altägyptischen Vorbildern gebaute Steuervorrichtung hielt diesen Belastungen nicht stand und brach auf der Luvseite. Die neu angebrachten Schwerter waren dem Ansturm der Wellen ebenso nicht gewachsen. Innerhalb nur weniger Stunden wurde die Arbeit von vier Tagen zu Nichte gemacht.


Um die Sicherheit der Crew zu garantieren, wurde zum Zeitpunkt des Heckabbruchs ein großes Begleitschiff von den Azoren geordert. Es sollte die ABORA III sicher bis zu den Azoren begleiten. Dieses Begleitschiff kam aber selber bei diesem Sturm in Bedrängnis. Es büßte vier Segel ein und die Ölpumpe wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Als das Begleitschiff in den Morgenstunden des 5. Septembers vor der wartenden ABORA III erschien, brachte es mehrere Hiobsbotschaften mit: Zum einen kündigte man vier weitere Sturmtiefs an, die sich wie auf einer Perlenschnur aufgereiht dem Standort beider Schiffe näherten. Zum anderen kündigte der südafrikanische Skipper seinen Vertrag und stellte zur Bedingung, die ABORA III sofort aufzugeben und umzusteigen. Diese Forderung machte es für Skipper und Crew alternativlos, darüber zu verhandeln, die angeschlagene ABORA III noch ein zweites Mal flott zu bekommen. Sie veranlasste das Team ihr Experiment ca. 500 Seemeilen vor den Azoren vorzeitig zu beenden.

ABORA III - Segelerfahrungen auf einem vorzeitlichen Rahsegler

Der Crew war die großartige Erfahrung vergönnt, die Segelfähigkeit eines prähistorischen Rahseglers im Nordatlantik zu erforschen. Sie durfte erleben, wie sich bestimmte Konstruktionen unter Sturm in hoher See bewährten, andere wiederum den Belastungen des Nordatlantiks nicht Stand hielten. Die Erfahrungen aus der ungefähr 2.400 Seemeilen langen Expedition liefern neue Erkenntnisse über die Ausbreitungs­möglichkeiten vorzeitlicher Kulturvölker. Die Beobachtungen, technischen Messungen und Erfahrungen auf der ABORA III Expedition führen zu der Einschätzung, dass frühgeschichtliche Kulturen mit Schilfbooten den Nordatlantik überqueren konnten. Weiterhin gibt es schon klare Erkenntnisse, die zum Abbruch des Achterstevens führten. Dennoch bescherte dieses unerwartete Ereignis die Möglichkeit, ein havariertes, manövrierbehindertes Schiff mitten im Atlantik umzubauen und damit die Seereise fortzusetzen.


Das geografische Ziel hat die ABORA III leider nicht erreicht, dennoch hat die Seereise der ABORA III empirisch dokumentiert, dass ein steinzeitlicher Schilfsegler sich aus den Golfstromwirbeln befreien und somit dem Golfstrom zurück in die Alte Welt folgen kann. Das wurde von allen Experten vorher für unmöglich eingeschätzt! Das Nichterreichen der spanischen Küste ist damit kein Grund, die transatlantischen Seereisen wissenschaftlich auszuschließen. Früher wurden solche Fahrten sicherlich nicht in einem einzelnen Schilfboot, sondern in kleinen Flottillen gemeistert. Genaue Zahlen, wie viele Boote gestartet und wie viele tatsächlich ihr Ziel erreichten, liegen natürlich nicht vor. Die Fahrt der ABORA III hat aber viel zum Verständnis solcher Unternehmungen beigetragen und gezeigt, dass sie nicht unmöglich waren.

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