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Die Fahrt von Afrika entlang des Äquatorialstroms (Südroute) nach Amerika bereitet für einfache Seefahrzeuge keine großen Schwierigkeiten. Durch den Kanarenstrom und permanente Passatwinde werden alle schwimmenden Dinge wie von selbst über den Atlantik in die Neue Welt getrieben. Dazu wären nicht einmal Segel oder eine Mannschaft nötig. Neueste Funde von Feuersteinklingen europäischer Machart an der Ostküste Nordamerikas befürworten einen transatlantischen Kontakt noch während der vorletzten Eiszeit! Die Frage ist jedoch: Wie kamen die Seefahrer vor 21.000 Jahren zurück nach Europa?
Doch damit nicht genug: Die Funde von Tabak und Kokain in ägyptischen Mumien legen nahe, dass es viel früher als heute angenommen Handelsbeziehungen zwischen beiden Kontinenten gab. Die Herausforderung liegt nun darin, Beweise zu sammeln, dass die Hin- und Rückreise über die Weltmeere bereits mit den Techniken der Steinzeit gemeistert wurde.
Die Atlantikpassage von Amerika in die Alte Welt führt durch den Nordatlantik entlang des Golfstroms. Diese sogenannte Nordroute wird nicht zuverlässig durch gleichmäßige Winde unterstützt. Je nach Großwetterlage können überraschend Ost- und Starkwinde aufkommen. Die größte Herausforderung stellt jedoch der Golfstrom dar. Er mäandert in riesigen Bögen ohne gleichmäßige Fließrichtung durch den Nordatlantik. Zum anderen entstehen an seinen Rändern riesige Wasserwirbel (sogenannte Eddies) gegen die Schiff und Mannschaft häufig viele Tage aufkreuzen müssen, sonst werden sie durch die Elemente wieder in Richtung Ausgangspunkt zurückgedrückt. Heutige Schifffahrtexperten sprechen den steinzeitlichen Schilfbooten genau diese Fähigkeit ab, über das Golfstromsystem in Richtung Europa zurück zu segeln. Deshalb schließen sie regelmäßige transatlantische Handelsbeziehungen im Altertum ebenso aus, wie die Funde von voreiszeitlichen Feuersteinwerkzeugen in Altamerika.
Der Rumpf des Schilfbootes wurde mit Hilfe der Aymara-Familie Limachi am Titikakasee in Bolivien gebaut und im Frühjahr 2007 nach Amerika transportiert. Er erreichte leider mit etlichen Schäden den endgültigen Bauort im Liberty Harbor - New Jersey am Hudson River. In diesem Yachtclub, der gegenüber der Skyline von Manhattan liegt, wurde durch die Mitglieder des Vereins für Experimentelle Archäologie das Schilfboot aufgetakelt. Zwei Kabinen, ein Mast, zwei Steuerruder und 14 Seitenschwerter gehörten zur Ausstattung. Dabei wurde sich nach den Vorgaben auf vorägyptischen Felsbildern gerichtet.
Der Stapellauf fand am 8. Juni 2007 in Liberty Harbor statt. Anschließend wurden mehrere Segelversuche auf dem Hudson River durchgeführt, um die altertümliche Takelage zu erproben und die Crew auf die rauen Bedingungen auf dem Atlantik vorzubereiten. Bei diesen schwierigen Arbeiten unterstützte sie das amerikanische Unternehmen Aqua-Survey.
An Bord befand sich ein Team aus drei Nationen: Deutschland, Norwegen und der USA. Der elfköpfigen Crew gehörten auch zwei Frauen an, die auf dem stürmischen Atlantik „ihren Mann“ standen. Auf dem obenstehenden Foto sind alle Mitsegler aufgelistet (v.l.n.r.)
unten: Joe Valmana (USA), Thomas Wittka, Mike Polzien
Mitte: Ingo Isensee, Andrea Müller, Dr. Dominique Görlitz, Sabrina Wittka, Mark Hobert
Oben: Markus Uhlig, Tormod Granheim (Norwegen), Peter Schmolke
Die Überfahrt 2007 gestaltete sich zu einer Sturmfahrt über den Nordatlantik. Das Azorenhoch, das eigentlich im Monat August mit moderaten Winden aus SW bis Nord hätte wehen müssen hatte sich im August 2007 vollständig aufgelöst. Mehrere Stürme mit bis zu 51 Knoten Windgeschwindigkeit und meterhohen Wellen setzten der ABORA III zwar stark zu, konnten aber ihre Fahrt nicht aufhalten. Die Crew setzte immer weiter tapfer ihre Experimentalfahrt nach Osten fort und konnte mit kleineren Reparaturen das Floß in Stand halten.
Der Crew war die großartige Erfahrung vergönnt, die Segelfähigkeit eines prähistorischen Rahseglers im Nordatlantik zu erforschen. Sie durfte erleben, wie sich bestimmte Konstruktionen unter Sturm in hoher See bewährten, andere wiederum den Belastungen des Nordatlantiks nicht Stand hielten. Die Erfahrungen aus der ungefähr 2.400 Seemeilen langen Expedition liefern neue Erkenntnisse über die Ausbreitungsmöglichkeiten vorzeitlicher Kulturvölker. Die Beobachtungen, technischen Messungen und Erfahrungen auf der ABORA III Expedition führen zu der Einschätzung, dass frühgeschichtliche Kulturen mit Schilfbooten den Nordatlantik überqueren konnten. Weiterhin gibt es schon klare Erkenntnisse, die zum Abbruch des Achterstevens führten. Dennoch bescherte dieses unerwartete Ereignis die Möglichkeit, ein havariertes, manövrierbehindertes Schiff mitten im Atlantik umzubauen und damit die Seereise fortzusetzen.
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